Gerade weil sich eine Schwangerschaft negativ auf das Befinden der werdenden Mutter auswirken kann, will der Gesetzesgeber die werdende Mutter durch diverse Regelungen schützen.
Deswegen sieht das Gesetz in §17 I 1 MuSchG vor, dass einer Frau in bestimmten Fällen nicht gekündigt werden darf. Dieses Kündigungsverbot gilt „während ihrer Schwangerschaft“ (Nr. 1), innerhalb einer gewissen Zeitperiode nach einer Fehlgeburt (Nr. 2) sowie nach der Geburt (Nr. 3), sofern dem Arbeitgeber dies im Zeitpunkt der Kündigung bekannt ist oder es ihm zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.
Aber ab wann ist die schwangere Frau denn nun tatsächlich geschützt? Das stellte das Bundesarbeitsgericht nun -erneut- klar (BAG v. 24.11.2022 – 2 AZR 11/22).
Obwohl im allgemeinen Sprachgebrauch klar ist, wann eine Frau den Status „schwanger“ hat, nämlich während der tatsächlichen Dauer ihrer Schwangerschaft, und damit in den meisten Fällen für neun Monate, braucht das Gesetz einen festen Zeitraum, für eine gleichbehandelnde und vor allem vollumfänglich schützende Anwendung des Kündigungsverbots.
Seit 1966 (BAG v. 27. Januar 1966 – 2 AZR 141/65) berechnet das BAG diesen Zeitraum wie folgt: der Kündigungsschutz gelte für den prognostizierten, und im Zweifel den tatsächlichen Entbindungstermin rückwirkend für 280 Tage, basierend auf der Dauer eines durchschnittlichen Zyklus welcher 10-mal durchlaufen werde.
Trotzdem hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg versucht, diese Rechtsprechung zu ändern, indem es den Zeitabschnitt um 14 Tage reduzierte.
Diese Reduktion basiert auf einer anderen Berechnungsgrundlage: maßgeblich für den Beginn einer Schwangerschaft in Sinne des §17 I 1 Nr. 1 MuSchG sei der Zeitpunkt, an dem die Befruchtung stattfinde. Diese finde durchschnittlich am 12. oder 13. Zyklustag statt. Deswegen müsse lediglich 266 Tage, ausgehend vom prognostizierten Entbindungszeitpunkt, zurückgerechnet werden.
Für die Abkehr von der langzeitigen Senatsrechtsprechung sah das Revisionsgericht jedoch keinen Anlass. Damit stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass nach wie vor die 280 Tage für die Rückrechnung anzuwenden sind. Es werden absichtlich Tage einbezogen, an denen die Schwangerschaft zwar unwahrscheinlich jedoch nicht unmöglich ist.
Begründet wird dies damit, dass die Nutzung der äußersten zeitlichen Grenzen nicht nur den Europarechtlichen und nationalverfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Darüber hinaus soll so möglichen Nachteilen durch eine ungenaue Berechnung vorgebeugt werden. Dies habe den Vorteil, dass die werdende Mutter sowohl psychisch als auch physisch möglichst vollumfassend geschützt wird.
Diese Entscheidung beweist jedoch nicht nur, dass die bisherige, weitreichend schützende Rechtsprechung beibehalten wird, sondern auch, dass das Arbeitsrecht die werdende Mutter sowie mittelbar auch ihr ungeborenes Kind als besonders schützenswert ansieht.
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