Am 11. September 2023 berichteten wir anlässlich eines Urteils des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen bereits von der sog. zeitlichen Koinzidenz, die den grundsätzlich hohen Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern kann.
Das Bundesarbeitsgericht stellte bereits fest, dass der Beweiswert einer AU nachträglich zu einer Eigenkündigung, die darüber hinaus „passgenau“ bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses den Arbeitsnehmer als arbeitsunfähig erkrankt meldet, erschüttert ist. Die Folge liegt in der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers über die Arbeitsunfähigkeit.
Dem LAG Niedersachsen lag ein Fall vor, wo der Arbeitnehmer eine Fremdkündigung erhielt, einen Tag zuvor jedoch bereits eine Erstbescheinigung einreichen ließ. Es folgten zwei Folgebescheinigungen, welche letztlich „passgenau“ bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsunfähigkeit bescheinigten. Am nächsten Tag ging der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit in einem neuen Arbeitsverhältnis nach.
Wie bereits von uns in den Raum gestellt, landete der Sachverhalt nun vor dem BAG. Während der Beweiswert der Erstbescheinigung nicht angreifbar ist, ist dieser hinsichtlich der beiden Folgebescheinigungen erschüttert worden – so das BAG am 14. Dezember 2023 (Az.: 5 AZR 137/23).
Dieses hob das Urteil des LAG Niedersachsen auf. Es hätte beachten müssen, dass es zwischen der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, dem Ende des Arbeitsverhältnisses sowie dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein zeitlicher Zusammenhang bestand. Nun trifft den Arbeitnehmer zum Erhalt seines vergangenen Entgeltfortzahlungsanspruches nach §3 Abs. 1 EFZG die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit.
Das bedeutet, dass die im Volksmund bekannten Fälle „einfach einen gelben zu ziehen“ und das Ende des Arbeitsverhältnisses abzuwarten aus rechtlicher Perspektive nicht immer reibungslos ablaufen müssen. Daher empfiehlt sich – abhängig vom konkreten Einzelfall – bei potenziellem Bestehen einer zeitlichen Koinzidenz eine alternative Beweissicherung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit.
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